Archiv der Fürbitten

Meine Güte, was für Aufreger! Der größte Schlachter Deutschlands verursacht im Kreis Gütersloh eine Infektionskette ungeahnten Ausmaßes.

Ich, der HERR, bin dein Heiland, und ich, der Mächtige, dein Erlöser    Jesaja 60,16

Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Römer 8,35

Meine Güte, was für Aufreger! Der größte Schlachter Deutschlands verursacht im Kreis Gütersloh eine Infektionskette ungeahnten Ausmaßes, Laschet lässt den „Lockdown light“ verhängen, Seehofer will die taz-Kolumnistin jetzt doch nicht verklagen, die (Achtung Satire!, und zwar schlechte) Polizisten auf dem Müll entsorgen wollte, Jugendliche randalieren in Stuttgart und in Ravenna wird das erste Musikfestival nach dem Lockdown in Italien eröffnet, mit jeder Menge Mozart. Nicht zu vergessen: Lufthansa mit dem durchgeknallten Milliardär Thiele im Rücken und die Pleite von Wirecard, dessen Geschäftsführer jetzt auf den Philippinen seiner Verhaftung entgegenfiebert. Und Trump plärrt vor leeren blauen Plastiksesseln.

Is ne Menge passiert seit der letzten Ausgabe. Aber was mich bei der Sache doch beschäftigt ist die „Just-in-time-Produktion“ der Schweine. Kannte ich bislang aus der Auto-Industrie. Heißt, jetzt sitzen ne Menge Schweineproduzent*innen (Bauern bzw. Landwirtinnen will ich die schon gar nicht mehr nennen) auf ihren Ferkeln und die Zuchtbetriebe auf ihren Apparaten, die genau 120-125 Kg wiegen müssen, um die Technik der Zerlegebetriebe nicht zu überfordern. Geht’s noch? Für die meisten, vor allem den vegetarisch Orientierten unter uns ist das nichts Neues. Immerhin, bei Tönnies können auch fettere Schweine entsor… äh geschlachtet werden. Achtung, keine Satire und darum auch nicht auf Menschen aus der Politik gemünzt!

Hörer*innen von WDR5, vor allem die, die da so gerne anrufen, kamen die Tage voll auf ihre Kosten. Haben wir doch schon immer gesagt! Sehr aufschlussreich auch, die Gütersloher Menschen und ihre Artgenoss*innen aus Rheda-Wiedenbrück zu hören. So beliebt ist der Herr Tönnies da wohl gar nicht, außer bei seinen Politikern. Da haben Rheda und Schalke denn doch was gemeinsam.

Zu Beginn der Sommerferien in NRW fällt mir der kleine Aphorismus einer amerikanischen Unternehmerin ein, die lapidar meinte: „Die meisten Leute planen ihre Ferien besser als ihr Leben.“ In Gütersloh und Warendorf würden sie mir jetzt an die Gurgel, denn dort stehen sie vor den Corona-Teststellen Schlange, um ggf. überhaupt in den Urlaub fahren zu können. Trotzdem ist an dem Spruch ja was dran. Die Pandemie hat in vielen Bereichen ein Vergrößerungsglas über unsere Selbstverständlichkeiten gelegt. Auf einmal wird sichtbar, wie gedankenlos wir gewöhnlich den Alltag begehen, wenn „der Laden läuft“.

Unterbrechungen des Alltäglichen können durchaus zu einem tieferen Nachdenken führen. Viele tun das dieser Tage, so mein Eindruck, und alle haben dabei mehr oder weniger kluge Erkenntnisse gewonnen. „Wie leben wir angesichts des Todes?“ Die Grundfrage der Philosophie stellt sich eben, ob wir das wollen oder nicht. Das war so bei den Pestpandemien im Mittelalter, aber auch bei der Spanischen Grippe nicht anders. Was macht das Leben lebenswert? Brauchen wir Kultur als Gemeinschaftsaufgabe? Wie erziehen wir unsere Kinder? Wie essen wir? Wie fahren wir in den Urlaub? Ist Urlaub überhaupt ein systemrelevantes Geschehen? Und nicht zuletzt: Wie wirtschaften wir? Überall weiter so wie bisher?

So gesehen erscheint der kurze Satz aus dem Römerbrief auf einmal als eine zutiefst subversive Ansage. Denn Leben speist sich ja aus dem, was wir an Wissen und Überzeugung tief in uns tragen. Die Kraft, die daraus entspringt, ist nicht nur Antrieb zur Veränderung, sondern bestimmt, wie wir im Angesicht des Todes leben. Das bleibt auch und gerade im Alltagsgeschäft die Herausforderung.

Mit (einem Ur-)Vertrauen zu beginnen, ist dabei gewiss nicht der schlechteste Anfang.

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