Archiv der Fürbitten

Impfungerechtigkeit trifft auf Impfunwilligkeit - Ein Kommentar von Martin Domke an das Redaktionsteam des Mittagsecho in WDR5

Afrika ist diverser als unser Blick - Die gegenwärtigen Verhandlungen des Gipfels zwischen Europäischer Union (EU) und Afrikanischer Union (AU) finden ein vielfältiges Medienecho. Tenor: Die mobilen Impfproduktionsstätten von BionTech sollen die Impfung in Afrika vorantreiben.

„Ich schreibe Ihnen aus der Perspektive eines Zeitgenossen, der seit Jahrzehnten in Afrika tätig ist, auch dort gelebt hat. Ich habe dabei auf sehr unterschiedlichen Ebenen mit Menschen zu tun, im NGO- und kirchlichen Kontext. Ich erwähne das, weil die Kontakte weit über die direkten Begegnungen hinausgehen und die Informationen sowohl von der Basis als auch den Leitungsebenen von Organisationen und NGOs doch als vielschichtig zu bezeichnen sind.

Ich bin ein vehementer Werbeträger für Impfungen weltweit und auch Vertreter einer allgemeinen Impfpflicht. Das nur vorweg.

Ihre Berichte zur Impfungerechtigkeit zwischen den Kontinenten (kurzfristig ablaufende Impfspenden europäischer Staaten und die „Empörung“ afrikanischer Staatschefs), Aufbau von mobilen Impfstationen durch BionTech sind in sich wie immer vollkommen nachvollziehbar und im jeweiligen Kontext sicherlich auch entsprechend recherchiert.
Dennoch greift die auch hier wieder erkennbare Interessenlinie: „Hier die reichen Europäerinnen, dort die armen Afrikaner“ zu kurz. In sehr vielen Staaten geht es nicht darum, dass zu wenig Impfstoff vorhanden wäre. Es gibt schlicht zu wenig Menschen, vor allem in Zentralafrika, die sich impfen lassen wollen!

Der ständige Kampf von wenigen Verantwortlichen, die ihre Mitmenschen zur Impfung überreden, ist nahezu aussichtslos angesichts der Übermacht der sozialen Medien, auf denen pausenlos die Verschwörungstheorien erscheinen, die auch hier bekannt sind. Ich kenne viele Kirchenleute, die ins gleiche Horn stoßen und damit fatalerweise enorme Wirkung entfalten.

Eine Sendung, die so pointiert die Impfungerechtigkeit thematisiert, auch wenn es ein Nachrichtenmagazin ist, müsste doch auch die Perspektive der betroffenen Menschen in den Blick nehmen. Die sehr wesentlichen Gründe für die niedrige Impfquote auf dem afrikanischen Kontinent liegen nämlich auf einer ganz anderen Ebene als die technischen Fragen von Produktion und Verteilung.

Es bleibt schick, sich im europäischen Kontext sozusagen medial selbst zu bezichtigen und die in der Tat ungerechte Verteilung stets und ständig anzuprangern. Dass es dabei einen erheblichen Unterschied macht, ob wir dabei über den Bereich von Nord- bzw. Südafrika reden, ist in etwa deutlich geworden. In Zentralafrika ist die Katastrophe bislang ausgeblieben, wie von Ihnen auch angemerkt. Wenn aber selbst Frau Micus als Menschenrechtlerin nicht wenigstens andeutungsweise auf die Ursachen hinweist, ist es trotz aller wichtigen Argumente wieder die europäische Perspektive, die die Interessen bestimmt.

So bleibt es ein weiteres Beispiel für eine koloniale Perspektive, die im Rahmen der üblichen Deutungsmuster afrikanische Stimmen in ihrer Diversität aus sehr einseitiger Sicht darstellt und Betroffene nicht in den Blick nimmt. Zentralafrika jedenfalls hat dringendere Probleme als die Impfung. Aber dazu müsste man die dortigen Stimmen auch hören und ernstnehmen. Auch in einem Nachrichtenmagazin.

Martin Domke

Eine Welt Zentrum Herne

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