Kongo: Flutkatastrophe mit vielen Toten kein Grund zur Berichterstattung in Corona-Zeiten

Ein Update zur Lage in der Region um die Großen Seen. Kommentar Martin Domke

Normalerweise bin ich sehr vorsichtig mit Kritik an unseren öffentlich-rechtlichen Nachrichtenzentralen. Denn die kommt fast immer von den falschen Leuten. Aber in diesem Fall vermisst man doch etwas mehr Sensibilität bei der Abwägung der Nachrichten, die es neben dem Corona-Wahnsinn überhaupt noch aus den Redaktionen ins Netz schaffen. Ich könnte auch sagen: Es ist offenbar struktureller Rassismus, der einfach zuschlägt. Der Deutschlandfunk brachte eine kleine Meldung, bei ARD und ZDF: Fehlanzeige.

Am Sonntag hat sich in Canada ein Amoklauf ereignet, über den wieder und wieder berichtet wurde (MoMa und andere Sendungen, Internet). Schlimm und verstörend, dramatisch für die Familien der Getöteten, eine junge Polizistin und Mutter zweier kleiner Kinder darunter.

Wenige Tage zuvor hatte es eine nicht weniger dramatische Überschwemmung im Ostkongo gegeben, zurzeit sind 36 Tote vermeldet, Tendenz steigend, da es noch viele Vermisste gibt, darunter Kinder. 3.500 Häuser sind unbewohnbar geworden, insgesamt 77.000 Menschen betroffen. Die Flut kam nachts. Dramatische Szenen haben sich offenbar abgespielt. Die Angaben basieren auf Zahlen der örtlichen Behörden und der UNO.

Aber das ist ja nur in Afrika, also keine Nachricht wert…

Nun will ich statt zu jammern hier nur ein paar Nachrichten zusammentragen, die uns gerade erreicht haben, als kommentiertes Update zur Lage außerhalb Deutschlands und Europas.

In Ruanda wird es weitere 14 Tage lang einen kompletten Shutdown geben, man darf auch nicht zum Joggen raus. Auch zuhause Mundschutz tragen! Eine Dame hat wohl illegal eine Bar betrieben und als Prostituierte gearbeitet – positiv getestet. Dadurch ist sie als „Superspreader“, also Superüberträgerin markiert, die angeblich mit 800 Leuten Kontakt hatte. Ansonsten hat es aber in Ruanda bislang keine Toten gegeben, jedenfalls nicht offiziell. Immerhin können pro Tag inzwischen 1.200 Menschen getestet werden.

DR Kongo

Im Kongo sind bislang 350 Infizierte gemeldet, bei 25 Todesfällen (Stand heute, 21. April 2020). Das scheint sehr wenig, zumal das Epizentrum in Kinshasa, der Hauptstadt liegt. Allerdings sind so gut wie keine Testmaterialien vorhanden und wann und wie Tests durchgeführt werden, ist keinesfalls geregelt. Zudem sterben viele Menschen an anderen Krankheiten, die neben Corona sehr verbreitet sind (Tuberkulose, Cholera, Diabetes, Hypertonie u.a.). Die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher liegen.

Das Land hat allerdings relativ drastische Maßnahmen ergriffen und setzt sie zumindest teilweise um. Alle Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen sind geschlossen. Eine Maskenpflicht ist eingeführt. Unsere Partnerkirche lässt Sonntagsgottesdienste inzwischen ausfallen, die Leute dürfen sich nur in Gruppen zu maximal 20 Personen treffen.

Das eigentlich Tragische aber ist, dass es im Osten des Landes nach wochenlanger Ruhe wieder 6 Ebola-Fälle zu registrieren gibt. Jetzt hat dieses krisengeschüttelte Land nicht nur mit Corona, sondern auch mit Ebola, Cholera, Tuberkulose und Masern zu kämpfen. Wie schaffen die Leute das nur?

Zumal die marodierenden Rebellengruppen, auch größere, sich in der Vergangenheit auf die Wegelagerei zur Einnahmensicherung konzentriert hatten und sich nun wieder auf’s „Kerngeschäft“ verlegen müssen, denn es fährt ja kaum noch jemand von zuhause weg. Dann geht’s also wieder in Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigung und Erpressung der geplagten Bevölkerung über.

Dramatisch dürften die wirtschaftlichen Folgen werden. Schon jetzt steigen die Lebensmittelpreise in den Städten dramatisch, für die Armen in den Slums eine Katastrophe. Die Grenzen zwischen den Ländern mit intensivem Handel (Uganda, Ruanda, Burundi, DR Kongo) sind geschlossen. Einige LKW dürfen noch passieren, ansonsten ruht das Leben. Für Leute, die von der Hand in den Mund nehmen, tödlich.

Tansania

In Tansania sollen 254 Infizierte und 10 Todesfälle sein. Das ist genauso wenig plausibel wie viele andere Zahlen aus den Ländern drumherum. Die Dunkelziffer ist überall um ein mehrfaches höher, die Folgen sind aber u.U. sehr verschieden.

Der Präsident Magufuli hat sich international harte Kritik gefallen lassen müssen, nicht nur wegen seines zunehmend diktatorischen Herrschens (ähnlich wie der Entwicklung in Ruanda), sondern auch weil er angeblich dazu aufgerufen habe, jetzt erst recht in die Gottesdienste zu gehen.

Dazu schreibt eine deutsche Gast-Professorin, dass die meisten Anwürfe gegen ihn (vor allem die aus Europa) die Lage völlig falsch interpretieren. Magufuli habe entgegen europäischen Meinungsmacher als gläubiger Katholik an dem besagten Sonntag (22. März) an einer Messe teilgenommen und dabei zu der völlig überhitzten Stimmung im Lande Stellung genommen. Die wild um sich greifenden religiösen Wahnvorstellungen (mit zum Teil tödlichen Folgen!) habe er versucht, in betont sachlicher Rede mit Hinweis auf die Fakten ins richtige Licht zu rücken. Dabei habe er auch die liturgische Handlung der Eucharistie als eigene Stärkung angesprochen und damit den allgemeinen Wahn auf eine normale Ebene „heruntergeholt“.

Kenner der tansanischen Lebensumstände müssen dieser Analyse schlicht einiges abgewinnen. Dennoch bleibt die Frage nach den Folgen der Politik Magufulis vor allem bei den Menschenrechten auf einem anderen Blatt, das nicht einfach in der Corona-Krise ad acta gelegt werden darf.

So viel zum Stand heute.

Bleibt gesund – und weltoffen!