Archiv der Fürbitten

ein paar unbedarfte Anmerkungen zu Schiffen, ihrem Kurs, Lieferketten und Namen

Die heutige Betrachtung mag zu spät kommen, trotzdem waren die letzten Tage immer wieder von der Nachricht durchzogen: Die „Ever Given“ liegt im Suezkanal fest und blockiert eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Die „Ever Given“ ist das größte Containerschiff der Welt und ist/war(?) auf dem Weg von China nach Rotterdam. 400m lang und über 59 Meter breit. Das, also die 59m, ist fast drei Mal mehr als mein Garten lang ist, und den finden Viele schon riesig.

Normalerweise wäre das ja gar nicht sooo interessant. Es gehört eher in die Kategorie „Flugzeug musste notlanden – alle Passagiere blieben unverletzt“. Oder „Merkel betont die strikte Einhaltung der Maßnahmen, um die dritte Welle zu brechen“, oder so was in der Art. Nimmt man halt zur Kenntnis.

Aber zwei, drei Sachen sind dann doch bemerkenswert Einmal die schnell wachsende Nervosität der Märkte innerhalb weniger Tage, weil die über 300 Schiffe, die jetzt auf die Durchfahrt warten, die Lieferketten für die Produktionen in ganz Europa sicherstellen müssen – und der Ölpreis stieg denn auch sofort! Im Hamburger Hafen werden sie auch nervös, einige Reedereien haben gleich umdisponiert und eine andere Route verfügt. Weil die Lieferketten stimmen müssen!

Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der sich fragt, was denn da los ist: Man macht die Lieferketten abhängig von einem kleinen Nadelöhr, auf dem sich bei Lichte besehen tagtäglich so etwas ereignen könnte? Und dann fahren durch den eigentlich dafür gar nicht gebauten Kanal Monsterschiffe, bei denen die kleinste Unachtsamkeit alles lahmlegt? Ok, der Kanal wurde 2015 erweitert und hat einen Parallelkanal bekommen. Aber wer verlässt sich auf eine solche Konstruktion, wo uns doch die Sicherheit seit dem Säuglingsalter buchstäblich eingeimpft wird (ziemlich schlechter Vergleich gerade, ich weiß)?

Ich hab von dem Ganzen ja nicht wirklich Ahnung, aber die Frage stellen, kann ja auch mal helfen, weiter zu bohren.  Übrigens ist das Schiff im Hamburger Hafen kein unbekanntes: Es hat 2019 doch glatt eine ganze Fähre samt Anleger zerdrückt. Eine etwas ruppige Form der Polonaise Blankenese….

Und dann: Ja, die Lieferketten. Wenn der Transport nicht funktioniert, schreien alle auf, die Nachrichten sind voll und die Märkte nervös. Aber wenn Kinder für Schokolade ausgebeutet werden, Frauen in Textilfabriken für unsere Kleidung Zwangsarbeit leisten müssen oder Männer in lebensgefährlichen ungesicherten Minen für Kohlekraftwerke verheizt werden, interessiert das Alles, wenn überhaupt, nur am Rande, und die Wirtschaft samt Ministerium sorgen dafür, dass jeder Versuch etwas zu ändern, zu einem zahnlosen Tiger mutiert. Aber da lassen wir nicht locker!

Nun aber die wirklich umwerfende Nachricht: Die Ever Given hat doch glatt, bevor sie in den Suezkanal einfahren durfte, eine beachtenswerte Linie auf dem Meer hinterlassen. Ich sag mal, das war eine Art erotische Warteschleife. Dankenswerterweise hat uns ein süddeutsches Boulevardblatt diese nun wirklich wichtige Notiz erhalten. „Vesselfinder“, das ist so ein Nachverfolgungssystem für Schiffe, hat nämlich herausgefunden, dass die Route der Ever Given auf der Meereskarte – einen Penis darstellt. Man kann in Abwandlung und mit nicht weniger korrekt verankerter Phantasie aber auch einen Stinkefinger erkennen.

Jetzt ist endgültig der Punkt erreicht, wo man mit dem Propheten nur noch hoffen darf, dass „ADONAJ, GOTT, König sein wird über alle Lande“. Wenn sein Name der einzige sein wird, dann ist Eindeutigkeit hergestellt, und zwar in allen Dingen. Aber da wird mir auch schon wieder etwas unwohl, denn könnte das nicht auch langweilig sein? Ist nur eine Frage, so zum Anfang der Woche. Und der Name „Ever Given“ zeigt ja immerhin auch, wie schnell Gegebenes nicht für ever da sein kann.

Ja, die heutige Betrachtung kam zu spät! Vor 5 Minuten kam die Nachricht, das Schiff ist wieder frei. Sagen die Nachrichten.  Also alles schnell löschen!

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