Archiv der Fürbitten

Corona und Häusliche Gewalt – Gedanken der Beraterinnen in der Migrantinnenberatung über ihre Tätigkeit und Wirksamkeit in diesem Bereich

Als Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel beraten wir seit vielen Jahren Migrantinnen, die in Herne Opfer Häuslicher Gewalt wurden. Wenn sie aufgrund des eheabhängigen Aufenthaltsrechtes Probleme mit ihrem Aufenthalt haben oder andere ausländerrechtliche Fragen zu klären sind, wenn es um Trennung und Scheidung, Strafanzeige, die Verlängerung des Rückkehrverbotes beim Amtsgericht o.ä. geht, wenn das Bedürfnis nach Beratung bezüglich der erlittenen Gewalt besteht, dann sind wir als Beraterinnen gefragt.

Von der Polizei erhalten wir in Kopie die Dokumentation über den Einsatz der Polizei bei Häuslicher Gewalt. Ca. 30 Protokolle gab es 2021. Zielgerichtet rufen wir die Frauen an und fragen wie es Ihnen geht und ob sie Beratungs- und/oder Unterstützungsbedarf haben. Mitunter ist die telefonische Erreichbarkeit schwer, denn die Frauen trauen einer unterdrückten oder fremden Nummer nicht. Sie haben häufig Angst, der Täter könnte dahinterstecken. Dann schreiben wir den Frauen einen Brief, eine Beratung ist ein Kann, kein Muss. Etwa 25-30% der Frauen machen Gebrauch von der Beratung.

Es gibt aber durchaus auch eine beachtliche Anzahl von Frauen, die sich bereits frühzeitig beraten lassen, weil sie spüren, dass die häusliche Situation eskalieren könnte. Es ist für sie hilfreich, wenn sie wissen, dass sie nicht in der Gewalt verharren müssen, dass es Hilfen und Stärkung gibt. Häufig sind Kinder ebenfalls davon betroffen. Nicht selten setzen die Männer diese als Druckmittel ein. Auch Entziehung der Kinder kommt vor. Das sind für die Mütter besonders schwierige Situationen, in denen sie entschlossen und stark sein müssen.

Wir werden häufig gefragt, ob Corona häusliche Gewalt verstärkt hat.

Unser Gefühl ist es, dass Corona die Zahl der Einsätze etwas erhöht hat. Die Menschen sitzen dichter aufeinander, haben weniger Möglichkeiten der Ablenkung, die Perspektiven sind nicht besser geworden, das Geld ist in diesen Familien immer schon knapp gewesen. Das führt dazu, dass Streitigkeiten häufiger eskalieren.

Aber unser Gefühl ist auch, und das wiederum macht Hoffnung, dass mehr Frauen sich trennen, sich wehren, sich nicht mehr alles gefallen lassen. Gerade bei unseren Klientinnen war früher Scheidung und Trennung kaum ein Thema, inzwischen sind Scheidungen längst kein Tabu mehr. Das macht Mut und Hoffnung, zeigt aber auch, dass vorhandene Hilfestrukturen den Frauen Selbstbewusstsein und Kraft geben können, wenn sie sie nutzen. So wissen wir als Beraterinnen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und wir machen weiter, auch wenn die vielen Facetten der häuslichen Gewalt nicht immer leicht zu ertragen sind. Es lohnt für jede einzelne Frau, jedes Kind, jede Familie!

Gerne stehen wir zum Thema zu Gesprächen bereit.

Katja Jähnel

zurück zur Archivübersicht